Frau Dattelpflaum reist

... und schreibt
2018 - Normandie und Kanalinseln

Around the Island with George and Morgan

25. Juli 2018

Es war heute Morgen ja schon ein bisschen eigenartig, bereits seit gestern Nachmittag hier zu sein, und noch niemanden gesehen zu haben. Aber ich habe in dieser wunderbaren Stille gut geschlafen, und um 8:15 Uhr gab es Frühstück. Keine 10 min früher, und auch keine 10 min später. 😀 Im Internet las ich Kritiken zu dieser Unterkunft, in der sich Urlauber über die strikten Frühstückszeiten beschwerten, und darüber, dass die Gastgeberin wohl etwas launisch reagiert, wenn man 10 min zu spät kommt. Also bin ich lieber pünktlich unten.

Ich bin ein wenig skeptisch, stelle dann aber fest, dass Suzette eine überaus freundliche Dame ist. Sie entschuldigt sich für das frühe Frühstück, sie müsse bereits um neun an der Kasse der Seigneurie sitzen. Sie bereitet mir und 5 weiteren Gästen ein üppiges, englisches  Frühstück zu, und ich frage mich, mit welchem Blick die Menschen, die solche Kritiken schreiben, durchs Leben gehen.

Ja, es ist vielleicht doof, wenn man wegen der strikten Frühstückszeiten im Urlaub nicht ausschlafen kann. Wenn keiner da ist, wenn man anreist. Und man könnte sicherlich nochmal fragen, ob jemand noch einen Kaffee möchte, wenn der erste aufgetrunken ist.

Aber meine Güte. Suzette ist freundlich. Es ist ein wunderschönes, tiptop sauberes Haus. Es gibt ein reichhaltiges Frühstück. Suzette ist sicherlich schon über 70. Läuft schlecht, hat offensichtlich Probleme mit der Hüfte. Es gibt hier keine Rente. Mit über 70 arbeitet sie tagsüber auch noch an der Kasse der Seigneurie und empfängt dort die Kreuzfahrtgäste, die auf der Insel einfallen. Vorher macht sie noch für ihre eigenen Gäste Frühstück, reinigt zwischendurch die Zimmer, wechselt Handtücher, bezieht die Betten, räumt alles wieder auf…. in diesem Alter. Sehen die Leute sowas nicht? Und es ist nun einmal eine abgelegne Insel, auf der nicht immer alles verfügbar ist. Es gibt keinen Geldautomaten, keine Straßenbeleuchtung, keine befestigten Straßen – nur Schotter – und der Kessel für warmes Wasser wird hier halt nur morgens eingeheizt. Kann man da nicht ein wenig nachsichtiger sein? Gerade diese Schlichtheit und dass eben nicht immer alles verfügbar ist, finde ich persönlich so reizvoll.

Nach dem Frühstück laufe ich den Hügel zum Hafen hinunter und freue mich wahnsinnig auf die Bootstour mit George und dessen Sohn Morgan. Schon 2015 wollte ich diese Tour unbedingt machen, was aber wegen des schlechten Wetters damals nicht ging. Heute habe ich Glück. Das Wetter ist perfekt und für mich war noch ein Platz auf dem Boot frei. George und seine Erzählungen sind mir noch sehr gut in Erinnerung, und ich freue mich riesig, ihn wiederzusehen. Zu meiner Freude kann er sich noch an mich und den Kaminabend erinnern und bedauert es, dass sie in diesem Jahr kein Zimmer für mich frei hatten. George war einer einer der Gründe, weswegen ich in diesem Jahr zurück gekommen bin. Ich weiß nicht, wie viele Jahre er diese Touren noch anbieten wird, daher wollte ich mir nicht zu viel Zeit lassen. Aber wenn ich ihn so sehe, kann ich es kaum fassen, dass er schon 81 ist. Unglaublich.

Wir sind zu zehnt und fahren auf der Non Pareil – einem der letzten drei Boote, die noch auf Sark gebaut wurden – aus dem Hafen. Vor der Abfahrt beeindrucken uns ein paar Mädels, wie sie von der hohen Hafenmauer immer wieder ins Wasser springen. Mir wird schon an der Kante ganz anders, und ich bin froh, dass ich es die lange, steile und rutschige Treppe ins Boot runter geschafft habe, ohne ins Hafenbecken zu fallen.

Die Tour war wirklich fantastisch. Drei Stunden lang schippern George und Morgan uns um die Insel, zeigen und erklären uns in ihrer sympathischen Art die zerklüftete Küste, die Höhlen sowie Flora und Fauna. Wenngleich ich immer wieder ratlos geschaut habe, wenn Morgan uns irgendwelche vermeintlich leichteren Wanderwege zeigte, die die Steilküste hinunter ans Wasser führen. Ich habe immer nur irgendwelche halsbrecherischen Trampelpfade gesehen, die nahezu senkrecht durch die Wildnis den Berg hinunter führten. „Yes… ‚easy‘ means easy for Sark“, lacht er.

Bei all den Felsstürzen versteht man, wie fragil die Insel ist – vor allem in den Wintermonaten, wenn die Insel den heftigen Atlantikstürmen ausgesetzt ist. „When it storms like this, you’d like to crawl under your bed with your cupboard around it.“

Wir drehen noch eine kleine Runde um Brecqhou, die kleine vorgelagerte Insel der Barclay Brothers, die hier seit Jahren Sark terrorisieren und aufzukaufen versuchen, und fahren direkt bis vor deren Haustür in deren Privathafen ein. „Just because we know it bothers them.“, zwinkert Morgan. Man möchte den Barclays am liebsten noch den Stinkefinger in eine ihrer zahlreichen Überwachungskameras zeigen.

Die Zeit fliegt, und schon sind wir wieder im Hafen. Ich hatte so, so sehr auf Delphine gehofft, die das Boot vor zwei Tagen begleitet haben, aber leider haben sie sich heute nicht blicken lassen. Trotzdem war es toll.

Müde von all den Eindrücken und der Sonne bin ich zu faul, um in der Hitze wieder den Berg hochzulaufen, und raste lieber noch gemeinsam mit einigen anderen Bootspassagieren im winzigen Hafencafé. Bei Breadpudding und Milkshake warten wir auf die Trecker, die bei der nächsten Fährankunft die Touris wieder nach oben ziehen. Die Betreiberin des Cafés backt alles selbst und beteiligt sich rege an unseren Gesprächen. An der Wand hängt ein großes Schild: „Please come to the counter. Let me know what you would like – I can tell you, what I have!“ Erwähnte ich schon, wie sehr ich es hier mag?

Gegen Abend leihe ich mir ein Fahrrad und fahre endlich zu „La Coupée“, dem schmalen Grat, der die beiden Inselteile miteinander verbindet. Es sind kaum noch Menschen dort, die Sonne geht langsam über dem Meer unter, und wie schon vor drei Jahren bin ich völlig überwältig von der Schönheit dieses besonderen Ortes.

Me in my #HappyPlace

  1. Hi Nadja,

    du siehst ja absolut entspannt und zufrieden aus 🙂 Herrlich, so soll es sein. Und ein wunderschöner Ort. Hab ganz viel Spaß und tolle Begegnungen. LG Meike

Schreibe einen Kommentar zu Silke Steinmetz Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung