Heute also Glastonbury! In der Nähe von Glastonbury findet mit 135.000 Besuchern nicht nur jeden Sommer das größte Musikfestival Großbritanniens statt. Es heißt auch, Glastonbury sei das sagenumwobene Avalon. Es ist der Schnittpunkt irgendwelcher heiliger Linien, es gibt eine heilige Quelle, einen heiligen Dornenbusch und einen markanten Hügel mit einem alten Kirchturm, um den sich ebenfalls zahlreiche Mythen ranken.
Darüber hinaus heißt es, dass in den Ruinen der Glastonbury Abbey die Überreste von König Artus liegen. Zwar ist sich die Wissenschaft größtenteils einig, dass König Artus keine historische, sondern eine mythologische Figur ist, aber das spielt hier keine Rolle.
Glastonbury ist eng mit der Artussage verknüpft, mit keltischer Mythologie und mit christlichem Glauben. Somit ist es nicht überraschend, dass sich hier jede Menge spirituelle Menschen tummeln. Die Kleinstadt hat lediglich um die 8800 Einwohner, hat aber eine große New-Age-Community.
Es hat mich schon im Vorfeld amüsiert, wie hier die Unterkünfte beworben werden.
„Our guests are welcome to use our spiritual library“ oder „Free Tarot readings for those who feel they might benefit“ hieß es da zum Beispiel. Oder es war eine kostenlose Flasche mit Wasser aus der heiligen Chalice Well inklusive, während auf fast allen Bildern irgendwelche Batik-Tagesdecken, Traumfänger, Kristall-Lampen, buddhistische Flaggen und ähnliches Zeug zu sehen waren. Mir scheint, hier ist für jeden Geist etwas dabei. Sehr kurios.
Und genauso kurios ist es auch, wenn man dann tatsächlich hier ist. Es reiht sich ein Esoterikladen an den nächsten. Eine kleine Auswahl? Ich hätte ins Goddess House der Mother World Enterprise gehen können. Oder in die Mystic Garden Gallery, zum Esoteric & Metaphysical Book Specialist, zum Speaking Tree, ins Soul Therapy Meditation Centre, ins Excalibur oder zum Natural Earthling. Der Laden Man, Myth and Magic sah auch spannend aus.
Ich hätte auch im Spiritual Gift Shop an Oracle Readings teilnehmen können, oder mich in der hohen Kunst des Handfastings unterrichten lassen können. Keine Ahnung, was das ist, aber es hieß: „As celebrants we undertake handfastings all over the country, in locations from stone circles to country pubs. We are happy to take you through the whole process, from writing your vows to organising your ritual.“ Na, wenn das das nicht vielversprechend klingt!
Ein Blumenladen ist hier nicht einfach ein Blumenladen, sondern es gibt natürlich Enchanted Flowers. Überall riecht es nach Räucherstäbchen, es gibt zahlreiche Läden mit Esoterikliteratur, magischen Kristallen und anderem kuriosem Zeug. Auf den Gehwegen werden Mandalas gemalt, es wird musiziert, auffallend viele Menschen haben bunte Haare oder einen Bart in Regenbogenfarben und seit Jahren habe ich nicht mehr eine solche Dichte an bunten Leggings und Batikklamotten gesehen. 😀
Das ist ein einziger Hippie-Ort. Schon auf dem Supermarktparkplatz, wo ich kurz gehalten hatte, sprach mich jemand an, woher ich denn käme, weil er mein Linkslenker-Auto gesehen hatte. Der Mann erzählte mir, er käme aus dem Himalaya und sei mit seiner Familie zur Goddess Conference nach Glastonbury gekommen. Ähm… lovely.
Aber auch, wenn ich mit diesem ganzen spirituellen Kram so gar nichts anfangen kann, amüsiert es mich, hier durchzulaufen. Diese Stadt ist wenigstens mal so ganz anders als der ganze Rest, und unter anderem deswegen wollte ich mir das hier auch einmal ansehen.
Meine Unterkunft ist ca. 15 km außerhalb der Stadt. Bei meiner Ankunft werde ich gefragt, von wo aus ich anreise. Als ich von meiner Route durch Cornwall berichte, heißt es sofort: „Oh my god, then you had to deal with these narrow roads!“ Yes, indeed. Aus dieser Reaktion schließe ich, dass ich also nicht die Einzige bin, die sich so anstellt – ich hab schon an mir gezweifelt. Jedenfalls war ich heute froh, als die Landschaft unterwegs wieder offener wurde. Besonders die Gegend um Dartmoor hat mir gut gefallen. Endlich wieder mehr Weite!
Als ich meiner Gastgeberin berichtete, dass ich mir heute Nachmittag schon Glastonbury angesehen hatte, kam nur staubtrocken mit ironischem Unterton: „Great, so you already got your crystals ’n stuff.“ Sure! 😀 Das war mir sofort sympathisch. Aber noch sympathischer wurde mir die Lady, als sie meinte: „Ich habe mir überlegt, du bekommst heute ein kostenloses Upgrade auf die Suite. Neben deinem ursprünglich gebuchten Zimmer übernachten gerade zwei Kerle, die so furchtbar laut schnarchen – das mag ich dir nicht zumuten. Und da die Suite gerade frei ist, kannst du genauso gut da schlafen.“
Man, in diesem Urlaub habe ich schon mit so vielen Dingen Glück gehabt! (Auch mit dem LKW-Unfall, den ich heute nur FAST gehabt hätte…hat nicht viel gefehlt, aber lassen wir das….auch das war mehr Glück als alles andere). Jedenfalls habe ich nun eine komplette Ferienwohnung für mich alleine.
Ganz und gar unesoterisch, ohne Batikzeugs und Räucherstäbchen, sondern richtig hübsch eingerichtet. Und nachdem ich die letzten 8 Nächte in zwei superkleinen Zimmern verbracht habe, in denen man sich nur einmal umdrehen musste, um wieder an eine Wand zu stoßen, genieße ich es heute in vollen Zügen, dermaßen viel Platz für mich zu haben. OHNE Geschnarche! 🙂
Wie lustig, bei den Farben in der Stadt glaubt man ja auf einem Dauertripp zu sein 🙂
Vermutlich hätte ich es mir nicht nehmen lassen, mir aus der Hand lesen oder Tarrotkarten legen zu lassen. Schließlich steht schon in meinem Horoskop, ich sei anfällig für alles Esoterische 😉 😉
Da fällt mir ein: In meinem Auslandspraktikum hat mich ein Vodoopriester in einer Session mit totem Vogel und ganz viel Rauch gesegnet. Ich bin also safe 😉
Hab ganz viel Spaß. LG
Da wird man ja vom Fotos gucken high ? Ich hätte mich dann gerne mit dem „Speaking tree“ unterhalten ? Really amusing