Nach zwei tollen Tagen in Edinburgh liegt nun auch Glasgow hinter mir. Ich habe schon von vielen Menschen gehört und gelesen, die Glasgow nicht mögen. Aber es ist ja bekanntlich immer besser, sich sein eigenes Bild zu machen – und mir hat es gefallen!
Glasgow war ganz anders als Edinburgh. Auch, wenn die Stadt nach ihrem Niedergang in den 70er- und 80er-Jahren durch die Schließung der Werften und durch den Niedergang der Schwerindustrie wieder einen ziemlichen Aufschwung erlebt hat, merkt man doch, dass sie insgesamt ein wenig rauer ist. Man sieht mehr Obdachlose, und neben den restaurierten Gebäuden und Designerbuden irgendwelcher Stararchitekten stehen eben auch recht viele baufällige Gebäude. Trotzdem eine spannende Stadt – sehr viel größer als ich dachte und mit beeindruckender Streetart, dem durchdesignten Wohnhaus des Jugendstil-Architekten Charles Rennie Mackintosh und einem tollen, viktorianischen Friedhof auf den Hügeln über der Stadt.
Den raueren Eindruck hatte ich auch sofort, als ich auf dem Park & Ride Platz ankam, den ich mir im Vorfeld zum Parken rausgesucht hatte. Am Rande des Platzes gab ein riesiges Polizeiaufgebot, tausende Menschen, Marschmusik, gesperrte Straßen, lautes, aggressives, sehr unangenehmes Singen und Gröhlen von offensichtlich betrunkenen Menschen – und natürlich genau dort entlang, wo mein Weg zum Hostel führte.
Als ich eine Security-Lady am Rande des Parkplatzes fragte, was denn hier los sei, und ob es sicher sei, hier entlang zu laufen, klärte sie mich darüber auf, dass ich direkt in einen Orange Walk geraten sei. „It should be peaceful, but you never know. You wouldn’t want to be in there if you don’t need to.“
Super… ich hatte zufällig noch vor einer Woche eine Doku über die Orange Walks in Belfast gesehen, die mich total verstört hatte, weil mir nicht klar war, dass diese Umzüge in Belfast auch heute noch zu dreitägigen Straßenschlachten führen können. Bei diesen Orange Walks halten (teils radikale) Protestanten – Anhänger des Oranierordens, daher „Orange“ Walk – eine Parade durch überwiegend katholische Gebiete ab, um der Schlacht am Boyne im Jahre 1690 zu gedenken, bei der die Protestanten über die Katholiken gesiegt haben.
Die Protestanten bestehen auf das Ausleben ihrer Traditionen, während die Katholiken sich hierdurch provoziert fühlen. Nun hat das in Glasgow natürlich bei weitem nicht dieselbe Brisanz wie in Belfast, aber auch hier ist es wohl sehr kontrovers, und es gibt am Rande immer mal wieder Krawallmacher. So viele aggressive, betrunkene und gröhlende Menschen wie da waren, bin ich jedenfalls lieber einen Umweg gelaufen. Das war zwar ein wenig verstörend, aber so erlebt man Geschichte und Kultur eines Landes gleich hautnah mit.
Ansonsten waren aber alle sehr nett. Glaub ich zumindest. Denn mit dem Glaswegian Dialekt hatte ich so meine liebe Mühe. Das sah dann meist in etwa so aus:
Hostelmitarbeiter: [Undefinierbare Abfolge von Lauten]
Ich: ?
Hostelmitarbeiter: [Undefinierbare Abfolge von Lauten]
Ich: Pardon, I didn’t understand that.
Hostelmitarbeiter: [Undefinierbare Abfolge von Lauten, tippt auf die Rechnung, erwartungsvoller Blick]
Ach so! Ja, bezahlen muss ja noch!
Oder:
Ich: Excuse me, where can I buy tickets for the subway?
U-Bahn-Servicemensch: [Undefinierbare Abfolge von Lauten]
Ich: Äh…okay…thanks! [???]
Die Tickets konnte ich übrigens nirgends kaufen, da die U-Bahn geschlossen war. Hab ich dann irgendwann herausgefunden. 😉
Wonderful! Love reading it Nadja and looking forward to more of your travels.