Frau Dattelpflaum reist

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2015 - Normandie und Kanalinseln

Sark – Stürmische Zeiten

28. Juli 2015

Was für ein Wetter! Nach dem gestrigen Kaiserwetter könnte man heute meinen, es sei Herbst. Es regnet, es ist kalt, es stürmt und ich habe festgestellt, dass ich viel zu wenig warme Klamotten dabei habe. Die habe ich zwar grundsätzlich mit in den Urlaub genommen, aber aus mir unbekannten Gründen habe ich die alle in meinem Kofferraum auf dem Festland gelassen, aus dem ich ja immer nur für die nächsten Tage ein paar Klamotten in meine Tasche stecke. Nun sitze ich hier mit all meinen T-Shirts und der nicht wasserdichten Regenjacke auf den Inseln und frier mir den Allerwertesten ab. Hervorragend.

Gegen Mittag hörte wenigstens der Regen auf. Ich habe mich dann erst mit dem Fahrrad und später ein ganzes Stück zu Fuß zu den Gouliot Headlands auf den Weg gemacht. Wobei ich hier wie eine alte Omma über die Insel humple. Mein verletztes Bein schmerzt wirklich sehr, ist mittlerweile vom Knie bis zum Knöchel dunkelblau und stark angeschwollen. Es sieht aus, als wäre George mit seinem Trecker darüber gefahren. Ich kann weder richtig Fahrrad fahren, noch richtig laufen. Bergab lasse ich mich mit dem Fahrrad rollen, bergauf geht es nur zu Fuß, da ich wegen der Schmerzen nicht richtig in die Pedalen treten kann. Nervig, aber ich mache das Beste daraus – ich habe ja Zeit und kann es langsam angehen lassen.

In den Gouliot Headlands ging es zu Fuß über die Felder mit den Schafen bis hin zu den Klippen. Zwar hätte ich nichts gegen ein bisschen mehr Sonne einzuwenden, aber diese herbstliche Stimmung an dieser rauen Küste hat auch was. Auf halber Strecke legt der Sturm noch einmal richtig los und es kommt ein ordentlicher Schauer runter. Aber ich habe eine verlassene Scheune gefunden, in der ich mich unterstellen konnte. Schon ein bisschen abenteuerlich hier.

Nach der kleinen Wanderung ging es mit dem Rad weiter zur Seigneurie – dem Herrenhaus, des Seigneurs – dessen Gärten man besichtigen kann. Die Seigneurie ist wirklich sehr hübsch und verträumt angelegt, es hat fast schon etwas Märchenhaftes. An der Rückseite der Gärten beginnt ein kleiner Wanderweg, der den Berg hinunter führt und dabei immer schmaler und steiler wird. Der Pfad ist gesäumt von moosbewachsenen Bäumen, der Boden ist voller Baumwurzeln und das Wasser tropft von den Blättern. Zwischenzeitlich habe ich mich gefühlt als sei ich im Dschungel unterwegs.
 
Nach dem Regen ist der Boden total aufgeweicht und rutschig, und ich hatte echt Schiss, erneut auszurutschen und dann gar nicht mehr laufen zu können. Rückblickend was es vielleicht auch ein bisschen irre, dieses Stück auch noch mit dem kaputten Bein abzuhumpeln. So abgelegen wie das hier ist, hätte mich so schnell keiner gefunden, wenn was passiert wäre oder wenn ich nicht mehr weiter gekonnt hätte. Und Handyempfang gibt es hier sowieso nicht. Aber egal – ich wollte unbedingt zum Window in the Rock, einem großen Loch in einem Felsen, durch das man einen tollen Blick über die Klippen haben soll. Somit ging es langsam und hochkonzentriert bei jedem Schritt weiter. Vielen Menschen bin ich dabei nicht begegnet. Zum Glück hat Sue mich mit einem Wanderstock ausgestattet, der mir an den rutschigen Stellen zumindest ein bisschen Halt bietet.

Glücklicherweise ist alles gut gegangen und ich habe es ohne weitere Unfälle bis zum Window in the Rock geschafft. Hier war es so krass windig, dass ich mich richtig in den Wind legen konnte und kaum die Kamera zum Fotografieren festhalten konnte. Das ist schon ein ordentlicher Sturm heute, aber wenigstens ist es trocken und ich bin froh, dass ich mich davon nicht habe abschrecken lassen. Kann ja nicht schaden, sich einmal ordentlich durchpusten zu lassen und dabei mit so tollen Ausblicken auf das tosende Meer belohnt zu werden.

Nachdem ich die Strecke wieder langsam nach oben gehumpelt bin, gab es erstmal Tee und Scones mit Erdbeermarmelade und Clotted Cream – richtig britisch eben. Was für eine Wohltat nach diesem Marsch! Und der Tee war sogar so gut wie in Ostfriesland! 🙂

Eigentlich hatte ich noch überlegt, heute eine Kutschfahrt über die Insel zu machen, aber dazu war es mittlerweile schon zu spät. Somit habe ich lediglich noch eine kurze Runde durchs Dorf gedreht und bin dann wieder nach Hause gefahren. Das ist aber auch okay – ich bin ohnehin total erledigt, das Bein schmerzt und der Sturm hat wieder richtig Fahrt aufgenommen und tobt draußen vor der Tür. Heute Abend geh ich jedenfalls nirgendwo mehr hin.

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