Wieder startet der Tag mit einem deftigen, englischen Frühstück und freundlichem Smallltalk mit den anderen Gästen. Das ist meiner Meinung nach das Schöne an kleineren B&B’s – je nachdem, wer dort noch logiert – am Frühstückstisch kann in kurzer Zeit eine sehr familiäre und heitere Stimmung entstehen. Und die diesjährigen Mitreisenden sind zwar wieder zwei ältere Ladies aus Südengland, dieses Mal aber nicht so komplett durchgeknallte Tanten wie beim letzten Mal. 😉 Sehr nett.
Im Anschluss besuche ich das Occupation Museum, das nur wenige Häuser entfernt ist. Und ich merke mal wieder, dass mich das zwar interessiert, aber dass ich für sowas irgendwie zu zart besaitet bin. Das Museum ist zwar wirklich schon in die Jahre gekommen, und als ich kam, wurde extra für mich, der einzigen Besucherin, das Licht eingeschaltet. Die alte Dame, die die Tickets verkaufte, murmelte traurig „Nobody there, nobody there“ vor sich hin, und wirkte ein wenig verloren. Die Exponate und Vitrinen sind alle schon recht zugestaubt und könnten ein wenig Auffrischung gebrauchen. Aber dann all diese Waffen und Nazi-Exponate zu sehen, und sich damit auseinander zu setzen, wie sehr die hiesige Bevölkerung unter der deutschen Besatzung gelitten hat, das geht mir dann doch immer sehr nahe. Es ist, wie ich schon beim letzten Mal schrieb, einfach etwas anderes, wenn man vor Ort ist und einen anderen Bezug dazu bekommt als im Geschichtsbuch oder Fernsehen.
Und Chucky, die Mörderpuppe, fand ich übrigens genauso gruselig wie den Nazikram. 😉
Im Anschluss an den Museumsbesuch habe ich mich bei einer Kutschfahrt über die Insel angeschlossen. Die war grundsätzlich sehr schön, und Łukasz, der sympathische, aus Polen eingewanderte Kutschfahrer, hat voller Herzblut von Insel erzählt und uns in wunderschöne Ecken geführt.
Dennoch hat mich diese Fahrt ein wenig betrübt zurückgelassen. Zum einen habe ich mich über mich selbst geärgert, weil ich so gedankenlos ein Ticket für eine Kutschfahrt gekauft habe. Ich weiß nicht, ob es sein muss, dass ein einziges Pferd bei dieser Hitze zwei Stunden lang eine schwere Kutsche mit 11 Personen über die Insel zieht, wo es teilweise auch noch bergauf geht. Vielleicht traue ich einem Pferd zu wenig zu, aber mir tat das Tier irgendwie leid, und ich würde mich wohl nicht noch einmal dafür entscheiden.
Zum anderen hat sich bestätigt, was ich zwischendurch schon befürchtet hatte. Mir war schon aufgefallen, dass seit meinem letzten Besuch einige Geschäfte geschlossen hatten und zahlreiche Häuser leer stehen. Nun erfuhren wir: der Insel geht es schlecht. Mehrere Hotels haben geschlossen, und etwa 30-40 Familien sind in den letzten Jahren weggezogen, weil sie auf der Insel einfach nicht mehr überleben können (und/oder, weil sie an die Barclay-Brüder verkauft haben, wa natürlich eng miteinander zusammenhängt). Die Bevölkerung ist von rund 600 auf ca. 350 Insulaner im Winter gesunken.
Abgesehen vom Tourismus gibt es hier keine Arbeit. Im Winter erst recht nicht. Gleichzeitig sind die Lebenshaltungskosten sehr hoch, da alles erst von weitem auf die Insel gebracht werden muss. Das macht auch einen Urlaub sehr teuer. Beispiel? Vier rote Paprika für 10 britische Pfund, berichtete Łukasz. Strom kostet 60 Pence je Einheit. Aber die Touristen werden weniger, weil sich das viele nicht mehr leisten können. Statt durchschnittlich 1000 Besuchern pro Woche kämen nur noch 350 -400. Dass wegen technischer Defekte seit Wochen ständig die Fähren aus Frankreich ausfallen, ist für die Menschen hier eine Katastrophe.
Da Sark von Großbritannien unabhängig ist, ist es auch nicht an das kostenlose Gesundheitssystem NHS angeschlossen. Es gibt also nicht nur keine Rente, sondern auch die Krankenversicherung mit horrenden Beiträgen muss selbst geschultert werden. Gerade, wenn jemand schwer erkrankt ist, ist das kaum zu bewältigen. Deswegen gibt es im Laufe des Jahres zahlreiche Fundraising-Aktionen, bei denen für diejenigen Geld gesammelt wird, die diese Beiträge nicht mehr aufbringen können.
Am letzten Wochenende fand das jährliche Schafrennen statt. Wegen der defekten Fähren sind 450 eingeplante Gäste nicht gekommen. In dem Restaurant, in dem ich vorgestern war, sind über 20 Reservierungen unangekündigt nicht gekommen. Und so geht es weiter. Ich habe diese Insel so ins Herz geschlossen, und mir blutet selbiges, wenn ich all das höre.
Und trotz allem meint Łukasz: „I found so much love, kindness and friendship here. This is such a special place!“ Man kann den Menschen hier nur von Herzen wünschen, dass sich die Lage bald wieder bessert und nicht letztendlich doch alle an die Barclay-Milliardäre verkaufen müssen, womit die Kultur einer ganzen Inseln unterginge.