Frau Dattelpflaum reist

... und schreibt
2018 - Normandie und Kanalinseln

Herm

31. Juli 2018

Gerne wäre ich während meines Besuches hier auch mal zur Nachbarinsel Alderney gefahren. Bisher konnte man sie nur per Flugzeug erreichen, und der Flug in einer furchtbar kleinen Maschine kostet um die 100 Pfund. Seit kurzem verkehrt aber testweise eine Fähre zwischen Guernsey und Alderney, und ich hatte mir fest vorgenommen, diese Gelegenheit für einen Tagesausflug zu nutzen. Leider hat die Fähre nur 12 Plätze…. die natürlich auf Tage ausgebucht sind. Mist. „The locals are happy to get off that rock!“  Nun gut, nachvollziehbar. Trotzdem schade.

Ein bisschen enttäuscht beschließe ich, stattdessen einen Tagesausflug nach Herm zu machen. Herm ist ca. zwei Quadratkilometer groß und hat etwa 60 Einwohner. Klingt jetzt nicht sooo spannend, aber es fahren fast stündlich Fähren, also schau ich mir das mal an.

Damit ich wegen der komischen Buszeiten nicht wieder erst so spät loskomme, lass ich das Frühstück hier ausfallen und fahre gleich früh nach St. Peter Port. Der Bummel zum Fähranleger führt mich durch die High Street und an der Cornish Bakery entlang. Es gibt den besten Kaffee seit 10 Tagen mit Ausblick über den Hafen. Und für unterwegs meine heiß geliebte Cornish Pasty. ?

Wenig später halte ich mein Ticket nach Herm in der Hand und steige auf die Herm Travel Trident. Die Überfahrt dauert nur ca. 20 min, und ich setze mich ohne größere Erwarungen aufs Oberdeck. Wir verlassen den Hafen bei schönstem Sonnenschein, und ich schließe kurz die Augen. Nach nur wenigen Minuten ruft plötzlich jemand aufgeregt: „DOLPHINS!“  Tatsächlich! In der Ferne springt ein Delphin aus dem Wasser!! Seht ihr den kleinen Punkt links neben dem Boot?

Ich kann meinen Augen kaum glauben, da ruft auch schon jemand: „Here’s another one!“  Da springt ein weiterer Delphin direkt neben unserem Boot aus dem Wasser. Alle sind ganz aufgeregt und versuchen, einen Blick zu erhaschen… da tauchen plötzlich in der Bugwelle hinter unserem Boot drei oder vier Delphine an die Oberfläche und schwimmen hinter uns her. Es ging alles zu schnell, um weitere Fotos zu machen, aber ich habe den Moment auch viel lieber genossen. Ich hasse Aquarien und es war ein großer Herzenswunsch, diese Tiere einmal in freier Wildbahn erleben zu dürfen. Und dann passiert das einfach so, ohne dass man damit rechnet. So nah am Hafen. Das war so schön, dass mir die Tränen kamen. HACH!

Wir fahren an der Insel Jethou vorbei, sehen Sark direkt vor uns und legen nur kurze Zeit später auf Herm an. An der Hafenmauer befindet sich ein großes Schild: „Diving, jumping & swimming prohibited“, was eine Gruppe von Kindern nicht davon abhält laut juchzend um die Wetter von der Mauer ins Wasser zu springen.

Um zu einem der Strände zu gelangen, muss man ans andere Ende der Insel laufen. Der Weg führt zunächst vorbei an einigen Souvenirläden, einem Hotel und der Mermaid Tavern, eher er sich an der Küste entlangschlängelt und einen Knick ins Innere der Insel macht. Ich könnte alle 10 m stehen bleiben, um ein Foto zu machen.

Es geht ein Stückchen übers offene Feld, vorbei an steinzeitlichen Grabkammern, der Weg ist gesäumt von riesigen Palmlilien. Noch kurz die Düne hoch und dann liegt der wunderschöne Shell Beach vor mir. Türkisblaues Wasser, weißer Sand, wenig Menschen, ein kleines Beach Café… ich komm mir vor, als sei ich in der Karibik gelandet.

Der Sand besteht zu großen Anteilen aus Muscheln und Muschelstückchen, die hier vom Golfstrom angespült werden. Angeblich gib es hier Muschelarten, die es sonst fast nirgends auf den Kanalinseln gibt. Ich laufe ein ganzes Stück den Strand entlang und finde dicht am Wasser im Sand einen kleinen Felsen mit einer Mulde, die der Rückenlehne eines Stuhls ähnelt. Es könnte keinen besseren Platz geben, um sich eine Weile niederzulassen.

Nach einer kurzen Erfrischung im Beach Café mache ich mich auf den Weg zum Belvoir Beach. Der Wanderweg dortin steigt gemächlich an, und je höher ich komme, desto atemberaubener ist der Ausblick. Diese Farben!! So langsam habe ich das Gefühl, hier von einem Paradies ins nächste zu stolpern. Und ich dachte, Herm sei langweilig! Wie sehr man sich doch irren kann.

Es ist ziemlich heiß, und ich kann nicht genau abschätzen, wie weit der Weg zurück zum Hafen ist, daher halte ich mich am Belvoir Beach nicht länger auf. Und das war auch gut so. Alter Schwede… es geht immer höher, der Weg wird immer steiler und kommt mir ewig lang vor. Ist er tatsächlich gar nicht, aber wenn man nicht gerade die Fitteste ist, scheint es einem so. Ich bin froh, als ich endlich oben bin und es durch ein kleines Waldstück wieder bergab geht. Ich freu mich schon auf ein eiskaltes Getränk in der Mermaid Tavern.

 

Gut, dass ich so früh losgelaufen bin. So kann ich mich dort noch ein wenig erfrischen, ehe ich mich auf den Weg zu den Rosair Steps begebe. Da Niedrigwasser ist, legt die Fähre auf dem Rückweg nicht im Hafen, sondern in einer anderen Ecke der Insel ab. Ein paar steile Stufen führen zum Anleger, auf denen ich gemeinsam mit einigen anderen Gästen auf das Boot warte. Eine Mutter spielt mit ihren drei kleinen Kindern „I spy with my little eye… something that begins with b.“  und ein Spiel, bei dem jeder drei Dinge sagt, die er heute gemacht hat, und die anderen müssen raten, was falsch ist. Das kleine Mädchen erzählt: „Today, I was on a boat, and on this boat there was a rocket, and with this rocket I flew into space!“  Na, ob da wirklich nur eine Sache nicht stimmt? Ich sitze in der Sonne und amüsiere mich dabei, ihnen zuzuhören.

Unterdessen schlägt Iain vor, sich heute Abend nochmal in der Stadt zu treffen, was genau mit der Ankunftszeit meiner Fähre passt. Ich freu mich, dass ein weiteres Treffen klappt. Dieser Rocquettes Cider von der Insel hat es mir wirklich angetan, also lassen wir den Abend damit plaudernd ausklingen.

Ich bin etwas früher als Iain da und werde sofort vom Barkeeper erkannt, begrüßt und gefragt, ob Iain denn heute auch noch kommt. Auf dem Rückweg erkennt mich auch der Busfahrer sofort, weiß genau, wohin ich fahren möchte, und verwickelt mich flirtend in irgendwelche Scherze. Ich steige beschwingt aus dem Bus, betrete das Hotel und werde lachend begrüßt mit: „Hiya! You got rosy cheeks today!“  Ich erwidere: „That might be the cider“, und denke: „Nach vier Tagen Guernsey fühle ich mich hier mehr gesehen als nach 20 Jahren in Oldenburg“.

Die rosy cheeks könnten aber auch an etwas anderem liegen. Iain schaut mich an und meint: „Oh, you got the Herm burn, hun.“  The what? Hier auf Guernsey ist so mancher davon überzeugt, die Sonne auf Herm sei eine andere als hier. Menschen, die auf Guernsey stundenlang in der Sonne liegen können, ohne dass es ihnen etwas ausmacht, bekommen auf Herm in kürzester Zeit einen Sonnenbrand.

Was auch immer die Ursache für die rosy cheeks sein mag –  ich denke an die Delphine, die traumhaften Aussichten, die Farben, die herzlichen Menschen und sinke selig und beschwipst ins Kissen. Ach, Guernsey. <3

  1. Was für ein toller Blog und wie schade, dass er nicht öffentlich zugänglich ist. Ich finde es schön, wie Du schreibst. Ich habe auch einen WP-Blog und ihn kürzlich DSGVO-sicher gemacht. Jedenfalls nach bestem Wissen und Gewissen. Falls Du möchtest, kann ich das auch für Dich tun.
    Liebe Grüße!

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