Frau Dattelpflaum reist

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2015 - Normandie und Kanalinseln

Glück im Unglück auf Guernsey

23. Juli 2015

Nach einer sehr rauen Überfahrt von Diélette aus bin ich vorgestern auf Guernsey angekommen. Zum Glück bin ich seefest – im Gegensatz zu vielen anderen Passagieren auf der Fähre…. örks, war das ekelhaft!

Die ersten Eindrücke waren fantastisch. Es ist alles irgendwie britisch und französisch zugleich, die Landschaft ist ein Traum, überall stehen Palmen und alles, aber auch wirklich alles ist mit Blumen geschmückt. Das Hotel ist gemütlich und hat eine schöne Lage mit Ausblick auf den Hafen.
Gleich am ersten Tag habe ich den Bus nach Jerbourg genommen, um dort ein Stückchen auf dem Klippenwanderweg zu laufen. Die Sonne schien und die Aussicht auf diesem Wanderweg ist wunderschön. Das Meer brandet an den Felsen, die Möwen schreien und ich konnte sogar schon einen Blick auf Sark werfen, wo es in ein paar Tagen hingeht. Nach diesen tollen ersten Eindrücken habe ich am Nachmittag noch einen Bus in eine andere Ecke der Insel genommen.

Und da ist dann genau das passiert, wovor ich solchen Schiss hatte. Ich war schon einen Tag vor meinem Urlaub in der Dusche ausgerutscht und böse aufs Knie gefallen. Das war also ohnehin schon geprellt und grün und blau.
Dann bin ich hier mit dem Fuß umgeknickt und bin nochmal ganz unglücklich mit demselben Knie auf einen Absatz im Boden gefallen, und zwar so, dass mir vor Schmerz die Luft wegblieb und ich einige Minuten lang gar nicht erst wieder aufstehen konnte. Im ersten Moment dachte ich, ich hätte mir das Bein gebrochen. Und weit und breit kein Mensch zu sehen. Zum Glück ist der Unfall direkt neben der Bushaltestelle passiert (und nicht auf dem Klippenweg), sodass ich einfach nur auf den nächsten Bus zurück warten musste. Irgendwie habe ich es dann auch zurück ins Hotel geschafft, obwohl ich kaum auftreten konnte.
Ich dachte eigentlich, das war’s, jetzt muss ich die Reise abbrechen. Und was soll ich sagen  – verletzt sein, auf einer Insel im Ausland, das Auto in Frankreich, höllische Schmerzen, keine Ahnung, ob und wie es weitergehen soll und dann alleine sein… fühlt sich nicht sehr geil an.

Nach einer höllischen Nacht ging es mir gestern Morgen allerdings zum Glück ein bisschen besser. Zumindest so, dass ich einigermaßen wieder auftreten konnte. Zwar kann ich nur sehr schlecht und nur unter starken Schmerzen laufen, aber wenigstens kann ich den Urlaub fortsetzen – wenn auch mit Einschränkungen. Ist natürlich megaätzend, aber ich muss das Beste daraus machen.

Somit habe ich dann gestern mit dem Bus eine Rundfahrt um die ganze Insel gemacht. So sieht man auch was, ohne dass man viel laufen müsste. Dummerweise regnet es mittlerweile und meine neue Regenjacke ist nicht ansatzweise wasserdicht. Nachdem ich – so lange es eben ging – noch im Schneckentempo einen kleinen Stadtbummel durch St. Peter Port gemacht habe, war  ich dann abends total frustriert wieder im Hotelzimmer. Wo sich dann auch noch herausstellte, dass mein nagelneuer Reiseadapter für die englischen Steckdosen kaputt ist, sodass ich mein Handy nicht mehr aufladen kann. Großartig, läuft ja. Meine Laune war auf dem absoluten Tiefpunkt.

Da es in dem Hotel außer dem Frühstück kein weiteres Essen gibt, und ich nicht schon wieder in die Stadt humpeln konnte und wollte, habe ich mich am Abend dann doch noch dazu durchgerungen, dem Pub nebenan einen Besuch abzustatten. Der wurde vom Hotel empfohlen als „a great place for rubbing elbows with the locals“. Na denn. Eigentlich mach ich sowas nicht gerne alleine, aber ich hatte Hunger und an dem Abend war nun wirklich ein Frustbier fällig. 

Als ich den Pub betrat, saßen da ausnahmslos lauter Männer zwischen ca. Mitte 40 und 70 an der Bar – ich kam mir vor wie Marin Frist aus Men in Trees. Bin ich in Elmo gelandet? Da man in Großbritannien in Pubs nicht am Tisch bedient wird, muss man seine Bestellung am Tresen aufgeben. Also gut. Auf einer großen Tafel stand was von Veggie Burger, den ich dann direkt bestellt habe. „Sorry, heute gibt’s keine warme Küche, unser Koch ist krank.“ Es. Ist. Echt. Mein. Tag.

Aber dann meinte der Barkeeper, er könnte mir wohl eine Portion Pommes machen, das bekäme selbst er hin. Perfekt! Und schon stieg einer der anderen Gäste ins Gespräch ein und empfahl mir, dann die Pommes mit Käse überbacken zu lassen. Pommes mit Käse überbacken? Ernsthaft? Das klingt pervers. Aber verdammt lecker. Und schon waren wir im Gespräch, sodass ich gleich an der Bar sitzen geblieben bin, während ich auf meine Pommes gewartet habe.

Als ich von meinem Tag und dem Dilemma mit dem Knie und dem Ladegerät erzählte, hat sich Iain erstmal mein Handy geben lassen, um damit hinter die Bar zu gehen und es mit dem Ladekabel des Barkeepers wieder aufzuladen.
Wir haben uns echt nett unterhalten – auch mit den anderen Gästen- und bei einem weiteren Glas Bier meinte Iain dann: „Du bist ja nun gleich bei uns am Tresen geblieben. Aber selbst, wenn du dich nicht zu uns gesetzt hättest, sondern alleine am Tisch gegessen hättest, wäre ich irgendwann rüberkommen, um zu fragen, ob alles in Ordnung ist und ob du dazu kommen möchtest. So läuft das nämlich hier, wenn hier jemand alleine sitzt.“ Ist das nicht toll?

Als ich dann nach Hause ging, meinte er noch: „Das mit dem Ladekabel ist doch echt doof. Dein Handy ist doch deine ‚lifeline‘, wenn du im Urlaub alleine unterwegs bist. Wenn du magst, warte 10 Minuten, dann lauf ich eben nach Hause und hol dir meines. Das kannst für heute Nacht haben und mir dann morgen Abend im Pub zurück geben. Und wenn du in der Stadt keinen neuen Adapter findest, kannst du es auch ganz mitnehmen und mir wiedergeben, wenn du von Sark zurück kommst.“ Ich war echt sprachlos, gerührt und wusste nicht, was ich sagen sollte.
Da hat er mich einfach gedrückt und meinte: „Don’t worry lovely, we’ll take care of you.“ Unglaublich, oder? Ich weiß gar nicht, wie mir geschieht. So viel Freundlichkeit an allen Ecken und Enden, und selbst, wenn es mal ganz doof kommt, passiert Gutes.

So sieht die Welt gleich wieder besser aus. Und nach den zwei Pints ging es auch dem Knie wieder etwas besser – ich denke, ich werde mich auch heute Abend einfach nochmal an dieses Rezept halten. 😉

Hmmm… und jetzt zieht der Duft von Kaffee und Toast in meine Nase! Frühstück!

Klippenweg und St. Peter Port

 

 

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