Frau Dattelpflaum reist

... und schreibt
2019 - Wales

Conwy

31. Juli 2019

Als ich morgens aufwache, gießt es in Strömen. Der Regen kladdert an die Scheiben, und ab und zu donnert es. Na endlich! Ich dachte schon, Wales sei kaputt, bei all dem Sonnenschein, den ich bisher hatte. Nach draußen treibt es mich dabei aber nicht wirklich. Somit zieh ich mir nochmal die Decke über den Kopf und verbringe den Vormittag im Bett. Auch am Nachmittag habe ich eigentlich keinen großen Tatendrang, aber der Regen hat mittlerweile nachgelassen, und ich bin ja hier, um was zu sehen.

Also raffe ich mich auf und fahre nach Conwy. Auf halbem Weg fahre ich auf ein Stauende zu, das genau an einer Abfahrt liegt. Auf meinem Navi sehe ich, dass eine Straße parallel zur Staustrecke verläuft und fahre kurzerhand – wie einige andere – direkt an der Ausfahrt ab. Dass das nicht die beste Idee war, merke ich schnell. Natürlich lande ich in Nullkommanichts auf einer dieser Horrorstraßen. Mega-mega-eng, hohe Hecken, kurvig ohne Ende, ohne Möglichkeit umzudrehen, über ich weiß nicht wie viele Meilen. Ich hätte es ahnen können. An der einzigen Abzweigung steckt ein Lieferwagen fest, der in unzähligen Schritten vor- und zurücksetzt, um irgendwie um die Ecke zu kommen. Ich warte, während sich hinter mir eine Schlange bildet. Waren wohl noch mehrere so schlau wie ich.

Diese Strecken stressen mich ja ohnehin schon. Aber die gelegentlichen Haltebuchten sind gerade groß genug für ein Auto. Manche vielleicht auch für zwei. Aber wenn uns nun mehr als ein Wagen entgegenkommt, die Haltebucht voll ist, hinter uns aber auch schon ein paar Autos warten… da geht dann doch nix mehr! Es nützt ja nix, aber in solchen Situationen ist es wirklich nicht immer leicht, alleine die Ruhe zu bewahren.

Als der Lieferwagen es endlich um die Ecke geschafft hat, können wir passieren. Dann kommt tatsächlich Gegenverkehr, aber zum Glück nur ein einzelner Wagen und an einer Stelle mit Ausweichmöglichkeit. Bin ich froh, als es wieder auf eine normale Straße geht. Was für eine bekloppte Idee, abzufahren.

In Conwy steht eine der richtig großen Burgen von Wales, die auch zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Sie steht direkt am River Conwy und besteht aus acht runden Wehrtürmen mit jeweils 12 m Durchmesser und einer nahezu intakten Burgmauer. Das ist schon beeindruckend, wenn man in die Stadt fährt. Errichtet und fertiggestellt wurde die Burg zwischen 1283 und 1287 – also in nur vier Jahren Bauzeit. Nimm das, Flughafen Berlin!

Eigentlich hatte ich vor, Conwy Castle zu besichtigen, aber dann entscheide ich mich doch dagegen. Letztendlich ähneln sich Burgen ja doch alle ziemlich. Außerdem ist es schon früher Nachmittag, und viel mehr reizt mich das Plas Mawr. (Ausgesprochen: „Plas Maurrr“, mit rollendem R).

Dabei handelt es sich um ein Stadthaus aus elisabethanischer Zeit, das noch wie 1580 eingerichtet und als Museum zugänglich ist. Das elisabethanische Zeitalter fasziniert mich seit jeher ganz besonders, also ist das für mich fast ein Muss. Und ich wurde nicht enttäuscht. Das Haus ist viel größer, als ich gedacht habe, und ist innen mit prächtigen Stuckarbeiten und Möbeln ausgestattet. Die Zimmer sind originalgetreu eingerichtet und ich fühle mich tatsächlich in diese Zeit zurückversetzt. In jedem Raum rechne ich fast damit, dass Cate Blanchet und Joseph Fiennes um die Ecke kommen. 😉


Was mich ja auch immer wieder begeistert, sind die tollen Audioguides, die es mittlerweile in vielen Musen gibt. Man muss sich heutzutage nicht mehr mit zig Leuten vor viel zu kleinen Tafeln drängeln, um sich lauter Texte durchzulesen. Und man braucht auch nicht im Rahmen einer Führung mit einer ganzen Horde irgendwo durchzutrampeln. Stattdessen kann man in seinem eigenen Tempo durch die Räume gehen und sich berieseln lassen, während man sich umschaut. Auch dieser Audioguide ist richtig toll gemacht – fast wie ein Hörspiel, bei dem die damaligen Bewohner etwas zu ihrem Haus und ihrem Leben erzählen. Das lässt die Geschichte sehr lebendig werden. Ich mag das sehr.


Anschließend laufe ich noch ein wenig durch den Ort mit seinem mittelalterlichen Kern, runter zum Hafen, wo sich auch das schmalste Haus Großbritanniens befindet. Es stammt ebenfalls aus dem 16. Jahrhundert, ist gerade einmal 3 x 1,80 m groß und gehörte mal einem Fischer, der dort aber irgendwann ausziehen musste, weil man befand, dass dieses Haus ungeeignet ist, um von einem Menschen bewohnt zu werden. Die Besichtigung spar ich mir aber – denn davor steht schon eine Schlange, und es passt ja immer nur ein Besucher auf einmal ins Haus. 😉

Wenigstens ist es heute Nachmittag trocken geblieben, und ich bin froh, dass ich mich doch noch aufgerafft habe heute. Das war wieder einmal ein schöner Tag. Und egal, in welchen Stau ich auf dem Rückweg komme – ich werde ihn geduldig ertragen.

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