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2019 - Wales

Cardiff – Caerdydd

21. Juli 2019

So hundemüde, wie ich an meinem ersten Abend in Barry ins Bett falle, beschließe ich, den für morgen geplanten Tagesausflug nach Cardiff ausfallen zu lassen und einfach mal nichts zu machen. Aber egal, wie müde ich bin – um fünf Uhr morgens bin ich natürlich schon wieder wach, denn das ist dummerweise gerade meine Zeit. Nun ja, so bleibt mehr vom Tag. Und nachdem ich hier gefrühstückt und eine ganze Weile gemütlich in meinem Zimmer rumgehangen habe, ist es immer noch früh am Tag. Der Bahnhof von Barry ist nur 200 m von hier entfernt – ich bräuchte also nur einmal die Straße hinunterzufallen und könnte ganz bequem den Zug nach Cardiff nehmen, der alle 15-30 min fährt. Also gut, anziehen und los – ich würde mich hinterher sonst doch nur ärgern.

Barry – das weiße Haus am oberen Ende der rechten Straße ist mein Hotel. Der Bahnhof ist links gerade so außerhalb des Bildrands.

Der Zug braucht etwa eine halbe Stunde, und ich genieße es, mal nicht mit dem Auto unterwegs zu sein und einfach den Blick schweifen zu lassen. So komme ich gegen Mittag ganz entspannt in Cardiff Central an und erreiche nach wenigen Schritten die High Street. Die Fußgängerzone ist überschaubar und ist gesäumt von hübschen Häusern mit dem üblichen Einheitsbrei an Geschäften. Da mich Shopping ja ohnehin nicht sonderlich interessiert, bin ich ganz froh, dass heute Sonntag ist und die Geschäfte alle geschlossen haben. So ist es hier wenigstens nicht so trubelig und ich kann ganz gemütlich in Richtung Cardiff Castle schlendern. Es ist zwar bewölkt heute, aber trocken. Warm, aber nicht zu heiß – eigentlich ein guter Tag für einen Städtetrip.

Cardiff Central

Als ich am Castle ankomme, steht dort schon ein Sightseeing Bus bereit, in den ich prompt einsteige. Es ist ein Bus mit Live-Kommentar, und der Guide – ein älterer Herr um die 70 namens Terry – warnt uns vor:  es gäbe eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute sei, dass er uns nichts vorsingen werde. Die schlechte, dass er furchtbare Witze erzählt. Und was soll ich sagen – die Warnung war angemessen. Terry nuschelt furchtbare Altherrenwitze in sein Mikro, der Ton ist viel zu leise, und eine Gruppe junger Mädels gackert und unterhält sich so laut, dass ich kaum etwas verstehe. Hmpf. Irgendwann gebe ich auf und höre auch nicht mehr wirklich zu,  genieße es aber dennoch, ein bisschen durch die Stadt zu fahren.

Cardiff ist ziemlich bunt zusammengewürfelt. Es gibt wunderschöne Ecken mit prächtigen Häusern aus diversen Epochen, eine Universität mit imposanten Gebäuden, die unvermeidlichen 60er-Jahre-Klötze und die ebenso unvermeidlichen modernen Klötze, die auch nicht wesentlich schöner sind. Und mitten in der Stadt ein riesengroßes Stadion. Das Millennium Stadion ist das Nationalstadion von Wales. Hier finden große Popkonzerte statt und es werden zahlreiche Fußball- und Rugbyspiele ausgetragen. Rugby ist DER Nationalsport in Wales. Und da der ursprüngliche Grundbesitzer, der Marquess of Bute, verfügt hat, dass das Gelände nur für Freizeitaktivitäten genutzt werden darft, steht in Cardiff eben ein solch riesiges Stadion mitten in der Innenstadt.


Dank des Steinkohlebergbaus und der wirtschaftlichen Bedeutung des Hafens erlebte Cardiff im 19. Jahrhundert seine Blütezeit. Die walisische Steinkohle galt als sehr hochwertig, da sie fast restlos verbrannte, und im Rahmen der industriellen Revolution brauchte Großbritannien für die Stahlproduktion eines reichlich: Kohle. Die Kohle wurde über die zahlreichen Docks verschifft, wodurch sich Cardiff zum größten Kohlehafen der Welt entwickelte. Davon ist heute nichts mehr zu erkennen. Die Docks liegen – bis auf zwei – alle brach. Stattdessen hat man in der Cardiff Bay heute ein modernes Viertel mit Wohnungen, Einkaufszentren und Freizeitmöglichkeiten geschaffen. Die Stadtrundfahrt führt uns an den BBC Studios vorbei, in denen unter anderem Doctor Who gedreht wird, sowie am Wales Millennium Centre, einem großen Veranstaltungszentrum. Auf mich wirkt es alles ein bisschen künstlich und kühl und erinnert mich an Projekte wie die Hamburger Hafencity. Aber vielleicht täuscht der Eindruck auch; so schnell kann man das beim Hindurchfahren sicherlich nicht beurteilen.

Wieder am Castle angekommen, entschließe ich mich, die Eindrücke erst mal bei einem Cappuccino und einem Stück Carrot Cake sacken zu lassen, ehe ich mir das Castle genauer ansehe. Jeder Tag wird noch besser mit einem Stück Carrot Cake! 😉

Nach einer Weile wird das Wetter noch etwas freundlicher, ich habe noch etwas Zeit, keine Lust zum Bahnhof zurückzulaufen und gebe somit der Stadtrundfahrt noch eine zweite Chance. Das Ticket ist noch gültig, also steige ich erneut in einen der Sightseeing Busse und fahre die Strecke ein zweites Mal. Bei dieser Tour kommt der Text vom Band – aber wenigstens verstehe ich ihn jetzt. Und bei der zweiten Runde sehe und erfahre ich tatsächlich nochmal ganz andere Dinge als bei der ersten. Ich steige am Bahnhof aus und nehme den nächsten Zug zurück nach Barry. Wie schön, dass ich mich heute doch aufgerafft habe; das war ein sehr entspannter Tag!



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