Frau Dattelpflaum reist

... und schreibt
2019 - Wales

Aberystwyth und Barmouth

28. Juli 2019

Es ist Sonntagmorgen, und ich werde früh von den Möwen aus dem Bett gebrüllt. Kaum zu glauben, dass es schon wieder weiter geht. Ich habe zwar nicht so recht Lust auf die Fahrt, aber nun beginnt endlich der Teil der Reise, auf den ich am neugierigsten bin. Bei allem, was ich mir vorher über Wales angeschaut und durchgelesen habe, fand ich den Norden noch am reizvollsten. Voller Neugier breche ich in Cardigan auf.

Die heutige Strecke ist eigentlich gar nicht so weit – nur etwas mehr als 200 km – aber dafür nehme ich mir bewusst den ganzen Tag Zeit. Es reicht ja, wenn ich abends auf Anglesey ankomme, da kann ich auch ruhig noch zwei Zwischenstopps mit einplanen.

Dicht an der Küste entlang geht es gen Norden. Schnell zeigt sich, dass ich die eingeplante Zeit auch brauchen werde. Nicht nur, weil man auf den kurvigen Landstraßen ohnehin nicht so schnell fahren kann, sondern auch, weil ich am liebsten alle 10 min anhalten möchte, um den Ausblick zu genießen oder Fotos zu machen.

Immer wieder bietet sich auf den Hügelkuppen ein fantastischer Blick aufs Meer. Die Rastplätze an der Strecke sind teilweise überwältigend schön.

Am späten Vormittag erreiche ich Aberystwyth, ein Seebad mit rund 13.000 Einwohnern, Hauptstadt der Grafschaft Ceredigion und Gründungsort der ersten walisischen (von England unabhängigen) Universität. Es gibt eine scheinbar endlos lange Hafenpromenade entlang der gesamten Bucht, und schon wieder bricht die Sonne durch und lässt das Meer in kräftigem Türkis leuchten. Ein großartiger Ort für eine Pause. Ich laufe ein Stück die Promenade hinab, die mit den Flaggen allerlei Länder gesäumt ist, und lass mir ein wenig die Sonne ins Gesicht scheinen. Mein Besuch hier ist nur kurz, aber es reicht, um mich nachhaltig zu beeindrucken. Superschön hier! Ich gönn mir noch ein Karamelleis mit Meersalz, ehe ich wieder ins Auto steige.

Auch  auf der nächsten Etappe komme ich wieder an vielen Parkplätzen mit grandioser Aussicht vorbei – come on Wales! Stop showing off! 😉

Nach etwa einer Stunde erreiche ich Barmouth. Barmouth liegt an der Mündung des Flusses Mawddach, der von einer langen Eisenbahnbrücke überquert wird. Es gibt breite Sandbänke, einen wunderschönen Strand, und links und rechts davon die Berge. Googelt ruhig mal Bilder von Barmouth, die das Ganze aus Drohnenperspektive zeigen – ein Traum! Aber auch vom Boden aus ist es richtig schön. Zwar hängt der Himmel voller dunkler Wolken, aber auch hier klart es kurze Zeit später wieder auf. Es ist, als würde mir das schöne Wetter hinterher reisen.

In Barmouth mache ich einen kurzen Spaziergang und komme an einem Strandcafé vorbei, das mit Cream Tea wirbt – also Tee mit Scones und Clotted Cream. Dass ich in meinem bisherigen Urlaub noch gar nicht auf die Idee gekommen bin! Tse! Da überlege ich natürlich nicht lange. Zwar ist es noch keine fünf Uhr, aber Cream Tea in einem Seebad am Strand – Great Britain at it’s best, würde ich sagen!

Danach wird es aber Zeit! Das letzte Stück ist zwar nicht mehr sooo weit, aber allzu spät möchte ich auch nicht ankommen. Plötzlich soll ich mit dem Auto eine wahnsinnig schmale, alte Holzbrücke überqueren, die natürlich wieder für beide Richtungen freigegeben ist. Das ist mir gar nicht geheuer. Ich muss 70 Pence Maut bezahlen, und bin so nervös, dass ich den Brückenwärter leicht hysterisch lachend und mit viel zu hoher Stimme frage, ob die Brücke auch wirklich für Autos geeignet sei. Freundlich entgegnet er: „No worries, just go slowly, keep to left and you’ll be alright.“

Seien Sie auch heute mit dabei bei der Folge „Wie macht man sich zum Vollhonk?“… Hauptsache, ich frag den, der da jeden Tag sitzt und seine Maut kassiert, ob man da auch wirklich rüberfahren kann. Peinlich…. Egal. Ich hole tief Luft, fahre los, und natürlich kommt Gegenverkehr. Am liebsten würde ich die Augen zu machen und einfach Gas geben. 😉 Stattdessen quetschen wir uns ganz langsam aneinander vorbei, während ich nur nervös „Ohgottogottogott“ vor mich hin murmle und mir der Schweiß ausbricht. Natürlich passt es doch gerade so. Uff.  

Mittlerweile bewege ich mich an den Rändern des Snowdonia Nationalparks. Die Berge flößen mir ganz schön Respekt ein, und es ist kaum noch was los auf den Straßen, obwohl es noch gar nicht so spät ist. Außerdem zieht der Himmel zieht wieder zu, es wird langsam dunkel, und meine Gastgeberin hat mir geschrieben, dass sie nicht da sein wird, wenn ich anreise. Die Tür sei aber offen – ich solle einfach reinkommen und es mir gemütlich machen. Na, hoffentlich finde ich alles. Die Stimmung wird ein bisschen gloomy und ich möchte jetzt doch ganz gerne mal ankommen. Zum Glück dauert das auch nicht mehr lange.

Ich finde die Unterkunft ohne Probleme und betrete einen Anbau mit einer stilvoll und gemütlich eingerichteten Ferienwohnung. Wie cool es ist, jetzt endlich mal ein bisschen mehr Platz zu haben! Ich schau mich um und werfe einen Blick in den Kühlschrank und die anderen Schränke. Dabei stelle ich fest, dass  alles rappelvoll mit Lebensmitteln ist. Käse, Milch, Brot, Müsli, Schokolade, Kuchen, Joghurt, Kaffee, Tee… WOW! Was für eine Gastfreundschaft. Müde und zufrieden lasse ich mich mit einem heißen Kakao aufs Sofa sinken und genieße den Panoramaausblick auf die Berge.

Kurze Zeit später kommt meine Gastgeberin Tina nach Hause und erklärt mir, dass wir direkt auf den Mount Snowdon schauen. Ach, das ist schon der Snowdon? Den will ich ja morgen besichtigen. Bei guter Sicht könne man sogar die Eisenbahn sehen, wie sie den Bergkamm hochfährt. Wie cool! Das war mir bei der Buchung gar nicht bewusst.

Beeindruckt fragt Tina: „And you did drive all the way from Germany? All by yourself? Brave girl!“ Ich schaue nach draußen und kann es für den Moment selbst kaum glauben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung