Da mir der Rückweg nach Deutschland zu lang war, um ihn in einem Rutsch zu fahren, und ich es in Étretat so schön fand, wollte ich dort auch in diesem Jahr noch einen Zwischenstopp einlegen. Dummerweise fand ich keine bezahlbare Unterkunft, aber immerhin im 20 km entfernten Fécamp – so könnte ich ja den Tag in Étretat verbringen, und dann in Fécamp übernachten.
Blöd nur, dass ich dank des bescheuerten französischen Mautsystems für die 250 km Fahrt nach Étretat fast 5 Stunden gebraucht habe. Weil man alle paar Kilometer wieder eine halbe Stunde an diesen dämlichen Mautschranken im Stau steht. Man zahlt ein Ticket, fährt ein paar Kilometer, und dann steht man wieder 20 min oder sogar 30 min vor der nächsten Schranke. Was für ein beknacktes System!
Als ich dann ohnehin schon genervt in Étretat ankam, erwartete mich dort auch noch der absoluter Verkehrskollaps. Vielleicht hätte ich mir keinen Samstag aussuchen sollen, um hierhin zurückzukehren. In der Stadt ging wirklich nichts mehr. Die Autos Stoßstange an Stoßstange, es ging im Schneckentempo voran, und keine Chance, einen Parkplatz zu kommen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit fuhr ich auf einen ausgewiesenen Parkplatz, der letztendlich nur eine große Schotterpiste am Berg war. Natürlich gab es auch hier keinen freien Platz. Dafür durfte ich aber gemeinsam mit diversen anderen Parkplatzsuchenden feststellen, dass es am anderen Ende des Platzes keine Ausfahrt gibt und man auch nicht wenden kann.
Das heißt, wir mussten alle rückwärts am Berg anfahrend wieder raus. Das ganze lange Stück rückwärts, durch eine schmale Gasse, in der links und rechts eng Autos und Wohnmobile parken, während von hinten neue Autos nachkommen. Und das, wo ich so gut rückwärts fahren kann. Vor allem rückwärts am Berg anfahren. Ständig fährt die Tante vor mir viel zu dicht auf. Bei jedem neuen Anfahren rolle ich ein Stück nach vorne und muss ihr zig Mal per Handzeichen zeigen, dass sie doch bitte etwas mehr Abstand halten soll. Während man den Leuten hinter sich zeigen muss, dass es keinen Sinn hat, weiter zu fahren, und dass sie auch zurücksetzen müssen. Während man seit 2 Stunden ganz dringend pinkeln muss. Ein Traum, sag ich Euch! In solchen Fällen wäre es schon ganz nett, einen Beifahrer dabei zu haben, und sei es nur, um einen zu beruhigen.
Meine Nerven lagen mittlerweile blank und ich war fix und fertig, als ich da endlich wieder raus war. Ich sah ein, dass ich Etretat in diesem Jahr abhaken kann. Abgesehen davon, dass es keinen Parkplatz gab – wenn es so voll ist, macht es ja auch keinen Spaß, sich dort aufzuhalten. Sehr, sehr schade, das war irgendwie anders gedacht. Also ging es direkt zum Hotel nach Fécamp, wo ich erst nach einer weiteren gefühlten Ewigkeit ankam, weil ich ständig falsch gefahren bin, weil ich die Angaben im Navi nicht verstanden habe. Die Strecke führte über wahnsinnig enge Straßen, die mich an Cornwall erinnerten – eigentlich passt nur ein Auto auf die Spur, aber sie ist für beide Richtungen freigegeben. Irgendwann kam natürlich Gegenverkehr und der Typ im Auto schreit mich wüst auf Französisch fluchend an. Ich verstehe kein Wort, fluche aber wild gestikulierend auf Deutsch zurück und fahre zur Abwechslung noch einmal ein Stück rückwärts den Berg hoch, bis zu einer Stelle, an der wir beide aneinander vorbei passen. Mir reicht es für heute, wirklich.
Aber nach einer etwas längeren Verschnaufpause im Hotel bin ich am späten Nachmittag doch noch zum Kap Fagnet gefahren. Dabei handelt es sich mit 110 Metern Höhe um den höchsten Klippenabschnitt der Alabasterküste in der Normandie. Von dort bietet sich auf der einen Seite eine imposante Aussicht auf die riesigen, weißen, kilometerlangen Klippen und auf der anderen Seite über die in der Bucht gelegene Stadt und ihren Hafen. Schade, dass die Sicht an diesem Tag nicht ganz so klar war, aber das war dennoch ganz schön beeindruckend.
Danach wollte ich eigentlich noch in die Stadt und an die Hafenpromenade, um mir wenigstens Fécamp noch ein bisschen anzusehen. Leider bot sich hier dasselbe Bild wie in Étretat – die Autos Stoßstange an Stoßstange, weit und breit kein freier Parkplatz, dafür alles rappelvoll mit Menschen, die sich durch die Hitze schleppen…. nein, danke, das geb ich mir nicht. Also zurück ins Hotel, duschen, früh ins Bett und den Stadtbummel auf morgen früh verschieben.
Und das war genau die richtige Entscheidung. Am Sonntag bin ich um 5 Uhr morgens wach, dusche, und bin um 6 Uhr unterwegs Richtung Hafenpromenade. Die Stadt schläft, die Straßen sind wie leergefegt. Nur die Möwen rufen, und hinter den Klippen wird es langsam heller. Was für ein schöner Morgen und was für ein schöner Anblick!
Der Strand besteht hier wie in Étretat nicht aus Sand, sondern aus Kieseln, was ein tolles Geräusch macht, wenn die Wellen vor und zurück schwappen und die Steine übereinander kullern. Das äußere Ende der Klippen wird in goldenes Licht getaucht, als die Sonne hinter der Stadt langsam aufgeht, und vereinzelt sind einige Angler am Strand. Ein älterer Herr geht genau dort schwimmen, wo die Wellen von ein paar Sonnenstrahlen gestreift werden.
Ich laufe die ansonsten leere Hafenpromenade bis zum Beginn der steilen Klippen entlang und bin beeindruckt von diesem majestätischen Anblick. Ein Franzose, der mit seinem Hund spazieren geht, spricht mich an und fragt: „Machen Sie ein paar schöne Fotos von unserer schönen Stadt?“ Mais oui!
Ich weiß nicht, ob es so klug war, sich vor einer ausstehenden 650 km Autofahrt schon müde zu laufen, denn heute ist Abreisetag. Aber es war definitiv klug, sich Fécamp nicht am Samstagnachmittag in brütender Hitze inmitten riesiger Touristenhorden anzusehen, sondern in der Kühle und friedlichen Stille eines frühen Sonntagmorgens. Mit diesen wunderschönen Eindrücken geht es nun zurück nach Deutschland. Das war ein wahnsinnig schöner Urlaub.