Frau Dattelpflaum reist

... und schreibt
2016 - Schottland

Edinburgh

2. Juli 2016

Ausgeruht, frisch geduscht (auch mal spannend: in einer schwankenden Duschkabine zu stehen) und gestärkt sind wir bei schönstem Wetter in Newcastle eingelaufen.
Dort ging es runter vom Schiff, durch die Border Control… und dann ab in den Linksverkehr! Gott, war ich aufgeregt! Und die erste Stunde war tatsächlich heftig. Immer links fahren, von rechts überholt werden, Autobahnauffahrten, die von links kommen, falsch herum in den Kreisverkehr fahren – das fühlt sich alles so falsch an! Wie schön, dass gleich nach dem Fähranleger mehrere mehrspurige Kreisel zum Üben kommen…. Fährt man mit dem eigenen Auto nach Großbritannien, kann man übrigens immer nur grob schätzen, wie schnell man fahren darf, da die Geschwindigkeitsbegrenzung auf den Schildern in Meilen pro Stunde angegeben wird, während der eigene Tacho ja aber Stundenkilometer anzeigt. Ich war jedenfalls froh, als ich aus Newcastle raus war und ich mich auf der Autobahn erst mal hinter einen LKW klemmen konnte, bis sich mein Puls wieder normalisiert hat.

Nach einer kleinen Mittagspause in dem malerischen Fischerdörfchen St. Abb’s Head ging es über eine wunderschöne Route entlang der Küstenlinie weiter nach Edinburgh. So eine wunderschöne Stadt! Man meint hier zwischendurch, durch eine Hogwartskulisse zu laufen.
Gut….. dass mir gestern mein Zahn auseinander bricht, hätte ich nun nicht gebraucht. §(/Q!(&!!=$/&§$%!§%. Und das bei einem Sandwich. Einem Sandwich! Gibt es irgendetwas Labberigeres als ein Sandwich?? Nun ja, ich kann mir im Urlaub ja nun schlecht die Zähne richten lassen und hab auch echt keine Lust, hier zum Arzt zu gehen. Es ziept zwar ein bisschen, aber ich hoffe, dass es nicht schlimmer wird und bis Zuhause warten kann. Menno. Ist eigentlich kein Urlaub ohne kleinere Katastrophen möglich? Und natürlich muss das auch gleich wieder am Anfang des Urlaubes sein. Grmpf.

St. Abb’s Head

Dafür hatte ich hier schon wieder viele nette Begegnungen. Gleich auf dem Bahnsteig am Park and Ride außerhalb Edinburghs ergab sich eine Unterhaltung mit einem netten älteren Mann, der mir bei dem Ticketautomaten behilflich war, mir ein paar tolle Empfehlungen für Schottland gab und gleich auf den Brexit zu sprechen kam. „I guess Angela is not very happy with us at the moment.“ “No, but I guess neither are you.” Da führt man schon politische Gespräche, bevor man überhaupt richtig ankommt! 🙂

Im Edinburgh Castle saß ich mit einem sehr netten amerikanischen Pärchen an einem Tisch, als es plötzlich wie aus Eimern schüttete und sich alle Besucher gleichzeitig in dieses winzige Café flüchteten. Mal wieder war nirgends ein Platz frei, und mal wieder hat es sich bewährt, einfach mal ein paar nett aussehende Menschen zu fragen, ob man sich dazu setzen darf. Komisch, zuhause mache ich soetwas nie, aber hier im Urlaub ist die Hemmschwelle sehr viel niedriger. Zur Belohnung gibt es nette Begegnungen.
Und als ich gestern Abend zurück ins Hostel kam, sprach mich eine Frau in meinem Alter an und fragte, woher ich käme und was für ein Telefon ich hätte. Sie sei nur noch ein paar Stunden hier, hätte aber den falschen Adapter und könne ihr Handy nicht aufladen… ob sie ihr Telefon vielleicht kurz mit meinem Kabel anschließen könnte, damit sie wenigstens ihrer Familie in Schweden Bescheid sagen kann, dass alles in Ordnung ist?

Wir haben dann eine ganze Weile auf meinem Bett gesessen und uns sehr nett unterhalten, während sie ihr Handy auflud. So erfuhr ich, dass Anna immer schon einmal nach Edinburgh wollte, aber niemanden gefunden hat, der mitkommt. Daher ist sie es jetzt alleine losgezogen. Das kommt mir doch alles irgendwie bekannt vor.
Ist es nicht schön, wie sich manchmal der Kreis schließt? Letztes Jahr war ich alleine unterwegs und mir wurde sehr nett geholfen, als ich auf Guernsey mein Handy nicht mehr aufladen konnte. In diesem Jahr kann ich nun jemandem in der gleichen Situation aus der Patsche helfen. Und wer hätte gedacht, dass ich zu später Stunde in Edinburgh den einzigen schwedischen Satz anbringen kann, den mir meine schwedische Kollegin mal beigebracht hat? Jag är så trött!“ -„Ich bin so müde!“ 😉

Mitten in der Nacht hätte ich heute fast einen Herzinfarkt bekommen, als plötzlich ein ohrenbetäubender Feueralarm anging. Im Tiefschlaf. WAS? WO? WER BIN ICH? WO BIN ICH? Schnell was anziehen und raus… Halt! F***! Schuhe! Ich brauche Schuhe! Unglaublich, wie orientierungslos man ist, wenn man so aus dem Schlaf gerissen wird.
Dann haben wir da erstmal mit ca. 100 zerzausten, schlaftrunkenen, vor Kälte und Schreck zitternden Menschen im Pyjama im Hof gestanden und gewartet, bis die Feuerwehr kam, um den Höllenalarm auszuschalten, und festzustellen, wo der Alarm überhaupt ausgelöst wurde. (Es war Haarspray, das unter dem Rauchmelder verwendet wurde, wie sich später herausstellte). ORRRR!
Das erste, was meine Handyaufladebekanntschaft Anna allerdings sah, als sie schlaftrunken in den Hof kam, war eine Gruppe von Soldaten in Tarnfarben. Die Arme hat sich halb zu Tode erschreckt, weil sie dachte: „WAS? Soldaten? Normalerweise kommt bei sowas doch die Feuerwehr? IST DAS EIN TERRORANSCHLAG??“ Die Soldaten waren allerdings selbst auch nur Hostelgäste und mussten erstmal alle anderen Gäste beruhigen, dass sie nicht im Einsatz sind. Ein Typ neben mir murmelte „I’ll have a beer now“ und schlurfte in seinen Schlafklamotten davon. Sehr pragmatisch. Was für eine Nacht.

Ich bin erst seit 2 Tagen hier und habe schon so viele neue Eindrücke. Ich bin gespannt auf den Rest. Gleich geht es nach Glasgow – mit einem kurzen Zwischenstopp an der Rosslyn Chapel, die auf dem Weg liegt (vielen sicherlich bekannt aus dem Buch und Film „Sakrileg“). Ich freu mich drauf!

Edinburgh

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